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Wie Internet in die ZUE kam...

Im Oktober 2015 sind die ersten Flüchtlinge in der Zentrale Unterbringungseinrichtung in Echtrop angekommen. Seitdem werden sie dort mit dem Notwendigsten versorgt.

Das heißt, Sie bekommen ein Bett, warmes Essen, medizinische Grundversorgung und mit Hilfe des Runden Tisches Möhnesee auch jahreszeitlich abgestimmte Kleidung. Natürlich gibt es ein kleines Taschengeld und zum Glück viele Ehrenamtliche, die unterschiedlichsten Hilfestellungen leisten. Aber reicht das? Ist das Grundversorgung? Wir sehen das anders; und die Vereinten Nationen im Übrigen auch! 

Es muss Flüchtlingen doch möglich sein, Kontakt zu Ihren Familien in der Heimat oder auf der Flucht zu halten. Ohne Zugang zum Internet und den damit verbundenen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten ist ein freies demokratisches Leben nicht mehr vorstellbar. Nicht für uns, und auch nicht für die Geflüchteten.

 „Wer seine Menschenrechte und die Meinungsäußerungsfreiheit auch online ausüben möchte, benötigt Zugang zum Internet, das als technische Einrichtung selbst eine katalysierende Funktion für die Ausübung der Menschenrechte hat.“ So hat es der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen mehrfach bestätigt, zuletzt in seiner Resolution aus dem Jahr 2014, in der er die Staaten auffordert, „den Zugang zum Internet zu fördern und zu ermöglichen.“

Nachdem sich nun 2 lange Jahre augenscheinlich nichts in Hinblick auf eine Internetversorgung in der Flüchtlingsunterkunft bewegt hat, ist am 04. Mai 2017 im Rathaus Körbecke ein Team zusammengekommen, um diesen Missstand zu ändern.

Der Hauptgrund des Treffens ist allerdings gewesen, das die nicht vorhandene Internetverbindung in der Flüchtlingsunterkunft dazu geführt hatte, dass sich die Flüchtlinge Hotspots in der Gemeinde suchten. An der Alten Schule in Körbecke z.B. oder auf dem Marktplatz. 

Aber auch in Vorgärten und überall dort, wo jemand einen Hotspot zur Verfügung stellte. Dies hat zu reichlich Problemen und Verstimmungen geführt. Und Schuld war die ZUE.

Unter Leitung des Bürgermeisters haben die Firme Atex als Eigentümer, die Malteser als Betreiber, sowie der Freifunk- und der Runde Tisch- Möhnesee nach einer Lösung gesucht.

Es musste festgestellt werden, dass es keinesfalls möglich ist, mit einem einigermaßen vertretbaren Aufwand die ZUE mit Internet zu versorgen. Es lagen Angebote der Telekom, Vodafone und Unitymedia vor, die sämtlich die Verlegung einer Glasfaserleitung zur ZUE voraussetzen.  

Auch aus der vorhandenen Glasfaser von Atex sollte eine Mehrleistung nur durch ein wirtschaftlich unverträgliches Upgrade möglich sein. Aber selbst diese teure Lösung hat sich als nicht realisierbar herausgestellt. So haben wir es auf Nachfrage, schriftlich von der Telekom bekommen. Zitat: „Die Telekom kann von der Vermittlungsstelle bis zum APL nur 2mBit liefern. Vermutlich haben deswegen auch alle anderen Anbieter das Thema bei Ihnen noch nicht realisieren können. Aktuell sehen wir auch, dass kein Ausbau für den Standort geplant ist.“

In 2-3 Jahren mag sich das ändern, dann soll es ein neues Glasfaserkabel in Echtrop geben. Solange können und wollten alle Beteiligten nicht warten.

Ergebnis der Krisensitzung war, dass nur die Heranführung des Internetsignals über Funk als einzige Möglichkeit bleibt. Vom Freifunk Möhnesee ist eine Lösung herausgestellt worden. Ein 400mBit Funksignal soll hierbei mit Hilfe eines neuen Funkmastes auf der Haar und des bestehenden Funkmastes von Atex, von Stockum als Ausgangspunkt nach Echtrop als Zielpunkt gesendet werden, in der Hoffnung, dass dort noch ca. 70mBit ankommen. Hier sollte dann ein großer überdachter Hotspot eingerichtet werden.

Da das alles Geld kostet, mussten wir natürlich erst wissen ob es funktioniert. Daher haben wir einen Hubwagen an die Haar gefahren und der Freifunk hat geliehene Technik probehalber installiert. Dann haben wir den optimalen Standort gesucht. Das Schöne ist - es hat funktioniert. Die ersten 600,00 Euro waren also gut investiert. Jetzt mussten die Detailfragen geklärt werden. Wie senden, übertragen und empfangen?

Signal senden!

Herr Drevermann vom Freifunk Möhnesee hat sich bereit erklärt, das Signal von seinem Anschluss zu senden. Er installiert die notwendige Technik.

Übertragung!  

Wir brauchen 2 Funkmasten. 1 Mast steht bei Atex, den dürfen wir nutzen. Der zweite muss an der Haar stehen, zwischen Schweinestall und Gewerbebetrieb. Die Eigentümer des Grundstückes haben einer Errichtung zugestimmt. Das war schon mal Super. Aber wir brauchen auch Strom. Den spendet der Besitzer des Schweinestalls. Mit so viel Unterstützung hatten wir nicht gerechnet, wir hatten schon eine Solarversorgung ins Auge gefasst, konnten uns diese aber nicht leisten. Die Angebote für einen Mast beliefen sich auf ca. 6.000,00 Euro, von denen der Anbieter 3.000,00 Euro als Spende erlassen wollte. Immer noch zu viel, eine günstigere Lösung musste her.

Firma Atex hat uns mal wieder weitergeholfen.

Wir duften auf deren Gelände einen nicht mehr benutzten Bundeswehr-Funkmast abbauen und aufbereiten.

Das hat zwar viele Stunden Arbeit gekostet, die Mühe hat sich dennoch gelohnt. Der Mast sieht aus wie neu, und wir hatten nur Kosten für Material und Kran. Alles in Allem waren das ca: 550,00 Euro. Billiger kann man an einen Funkmast wohl kaum kommen.

Es musste aber noch ein Fundament erstellt und Strom herangeführt werden. Bei Ausheben der Gräben und der Baugrube hat uns der Bauhof geholfen. Das war für den Runden Tisch Möhnesee kostenfrei.

 

Als nächstes kam der Ankerkorb an die Reihe. Wir haben uns für ein Köcherfundament entschieden, um den Mast schnell aufstellen zu können. Das muss beim Eisenbiegen berücksichtigt werden. 

Wir haben das parallel zum Ausheben gemacht, so konnte uns der Bauhof der Gemeinde auch beim einsetzen helfen. Mit schwerem Gerät geht alles leichter.

 

Nachdem der Köcher eingesetzt und mit einer Stahlklammer gesichert war, konnte der Beton kommen. Der Köcher ist mit Wasser gefüllt, um ein aufschwimmen zu verhindern.

 

Natürlich muss so eine Baustelle auch ordentlich abgesichert werden.

Nach dem Fundament war der Graben dran. Das bedeutet auskoffern, Kabel verlegen und alles wieder ordentlich schließen. Dabei mussten wir einen Wirtschaftsweg und eine Hofeinfahrt kreuzen.

Wir waren schon recht glücklich als alles wieder geschlossen war und keine Beschwerden kamen. Die Landwirte hatten viel Geduld mit uns, und das rechnen wir Ihnen hoch an.

Der Ankerkorb, der Beton, die Kabel und das Füllmaterial schlugen dennoch mit fast 1000,00 Euro zu Buche. Im September 2017 war alles vorbereitet und der Beton ausgehärtet. 

 

Auch die Technik auf dem Turm von Atex war schon installiert. Die Technik für den Funkmast auf der Haar hatten wir schon probehalber aufgebaut, aus Sicherheitsgründen für den Transport aber wieder demontiert. 

 

Signal empfangen!

Die Malteser hatten alles hierfür alles vorbereitet. Die gesamte Technik in der Zentralen Unterbringungseinrichtung ist auf eigene angeschafft und installiert worden. Die Entfernung zwischen dem Funkmast im Gewerbegebiet und der Schaltzentrale der Malteser wird zukünftig mit einem 100m langen Spezialkabel überbrückt werden. Im Augenblick dient hier auch noch Funk als Zwischenlösung. Es bleibt also noch weitere Arbeit.

Technisch also alles klar, jetzt musste der Funkmast noch montiert werden. Und dazu gehört auch der Transport. Geld hatten wir dafür nicht mehr.

Wir haben auf dem Bauernmarkt in Körbecke über unsere Projekte berichtet. Für das Internet-Mast-Projekt hatten wir eigens ein Faltblatt erstellt, in dem wir alle herzlich einladen, beim Aufbau dabei zu sein. Und wir haben um finanzielle Unterstützung gebeten. Die Kinder konnten sich wie immer, in „Stratenschultes Hüpfburg“ austoben. Zusammengekommen sind 5,60 Euro. Ein bisschen wenig für einen Schwertransport. Das war wohl nichts!

 

Natürlich wollten die Flüchtlinge sich auch einbringen. So haben wir beschlossen, den Funkmast vom Industriegebiet bis zum Aufstellort per Hand zu transportieren. Mit Seilen wollten wir Ihn dann aufstellen. Abgesichert durch einen Hubwagen. Das spart eine Menge Geld, und wurde von den Beteiligten zudem als großer Spaß gesehen. Von den Flüchtlingen vor allem in Hinblick darauf, endlich Internet in der ZUE zu haben.

In den frühen Morgenstunden des 7. Novembers 2017 haben wir dann unsere Mannen in der Flüchtlingsunterkunft gesammelt und uns auf den Fußweg ins Industriegebiet von Atex gemacht. Dort ist auch die Homebase des Runden Tisches Möhnesee, die uns die Firma Atex kostenfrei zur Verfügung stellt. Neben den Flüchtlingen, den Helfern vom Runden Tisch und vom Freifunk haben auch die Malteser kräftig mit angefasst.

Für den Transport wurde ein kleiner Wagen und ein Anhänger umgebaut, gezogen von einem Mini-Trecker. So brauchen wir die Helfer nur zum Sichern, Lenken und Zufassen, wenn es kritisch wird. Das verladen hatte das Organisationsteam schon am Vorabend übernommen. 

 

Aus dem Industriegebiet ging es schnell heraus.

Auf der L857 wollten wir nur wenige Meter bleiben. Dabei sind wir am Team Kleidersammlung vorbeigekommen. Auch diese Aktion musste parallel stattfinden. Wir sind jeden Samstag von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr an der Bushaltestelle "Auf der Alm".

Die Strecke ist mit Fahrzeugen und Verkehrslenkungspersonal gesichert worden. Die Autofahrer haben es gelassen genommen, mit einer einzigen Ausnahme. Wenn der Helfer nicht zur Seite gesprungen wären….? Ein Mercedes-Fahrer hat laut schimpfend über unseren „Schwachsinn“ einen Sicherungsposten mit dem Auto aus Korn genommen. 

Schnell ging es dennoch ohne weitere Zwischenfälle auf die Wirtschaftswege bis zum Haarweg. Der Transport machte kaum Probleme, nur ein Schild musste versetzt werden.

Die Überquerung des Haarweges an der Schäferlinde war nochmal ein heikler Moment. Wir haben für einen kleinen Augenblick den Haarweg gesperrt, um jedes Risiko auszuschließen. Die Autofahrer hatten hierbei allesamt Verständnis.

Die letzten Meter machten keine Probleme. Auch wenn es kalt war, bis jetzt hat das Wetter mitgespielt. Nun begann der Nieserregen.

Der Boden war klitschnass, rutschig und weich. Die Versuche, den Mast mit den Seilen aufzurichten scheiterten an Wetter und Übermut der Helfer. Es war schon ein bisschen wie beim Turmbau zu Babel. Jeder zog in eine andere Richtung. Wir hatten einige Nationen vor Ort, und jede wusste genau was zu machen ist. Wir haben die Teams nicht koordiniert bekommen.  

 

Also haben wir erst mal alle zum Essen geschickt.

In der Zwischenzeit kam unser Notretter zum Einsatz. Der Chef der Firma Kind Spielplatzgerät fuhr mit schwerem Gerät vor, und stellte dem Mast kurzerhand in den vorbereiteten Fundamentköcher. Das dauerte nur wenige Minuten. Als unsere Helfer wiederkamen konnten wir mit dem Verfüllen und Schließen der Baugrube beginnen.

 

 

 

 

 

 

Natürlich nachdem das Aufstellen erst mal gebührend gefeiert wurde.

 

Danach wurde dann die Technik montiert. Das dauerte noch Stunden und war eine recht einsame Arbeit. Die verbliebenden „Spezialisten“ mussten Alles geben. 

 

Es war windig, nass und lausig kalt. Aber irgendwann lief alles.

 

 

 

 

 

Und dann war Zeit für den Feierabend. Und am nächsten Tag stand  die Reinigung der eigenen und der geliehenen Ausrüstung gereinigt an. Auch das gehört dazu.

 Das Projekt ist nicht fertig. Wir haben noch eine kleine Wetterstation hinzugefügt. In den nächsten Monaten wollen wir zwei Web-Cams installieren. Dann können sich die Möhneseeer das Wetter jenseits der Haar anschauen und die Dörfer am Haarstrang den Seeblick genießen. Auch unsere Touristen werden bestimmt Freude daran haben.

Über die Kosten der Technik wollen wir schweigen. Sonst kommt da noch jemand auf dumme Ideen. Nur so viel: Alles ist gesichert und lässt sich zerstörungsfrei nicht demontieren. 

Die Finanzierung war nur möglich, weil die Landwirte uns Strom und Platz zur Verfügung stellen, der Bauhof bei der Fundamentierung geholfen hat, der Arbeitskreis Flüchtlinge der katholischen Kirche uns mit 750,00 Euro unterstützte, der Mast von ATEX gespendet wurde und einige vom Freifunk und vom Runden Tisch Möhnesee ganz tief in die eigene Tasche griffen, um die Technik zu bezahlen. Die Malteser übernahmen alles, was in der ZUE gebraucht wird. Und als wir zum Schluss nichts mehr ging, hat uns die Firma Kind im wahrsten Sinne des Wortes „unter die Arme gegriffen“.

Unzählige Stunden Arbeit von vielen Helfern, von der Ausarbeitung des Konzeptes, dem Testlauf, dem Abbau und der Sanierung des Mastes bis hin zur Fundamenterstellung und Kabelführung, dem Transport und dem Aufbau waren nötig, und sind weiterhin nötig, um diese Aufgabe zu stemmen.

Und es ist nicht nur für Flüchtlinge. Wir haben hier ein Freifunksignal, dass jeder nutzen kann. Der Freifunk Möhnesee berät Interessierte gern. Auch wir leiten Anfragen gern weiter.

Allen die uns geholfen haben gilt unser herzlicher Dank. Unser Projekt war hart, manchmal in der Sackgasse, aber zusammen haben wir immer einen neuen Weg gefunden. Es sind Freundschaften entstanden, es wurden Netzwerke gestrickt. Resümierend haben wir einige schwere und viele, viele, glückliche Stunden zusammen gemeinsam erlebt.

Ein tolles Projekt an dem wir gern weiterarbeiten!